Musikreviews.de bei Facebook Musikreviews.de bei Twitter

Partner

Statistiken

Interview mit Murgrind (16.01.2016)

Murgrind

Treppenwitz der Musikgeschichte oder ernst zu nehmende Alchemie in fast vergessenen Klangnischen? Ehrlich gesagt war ich mir selbst nicht sicher, was ich davon halten sollte, als ich vor einigen Monaten von einer recht jungen Riege selbst ernannter Dark Dungeon Synth Projekte erfuhr – sollte Mortiis' Erbe nicht lieber von einem Schleier des Vergessens bedeckt werden? Gibt es überhaupt etwas noch Hinterwäldlerisches als auf vorgestrigen Keyboards intonierte Königreiche?

So erstaunlich es auch klingen mag: Projekte wie MURGRIND aus Deutschland widmen sich diesem häufig bespöttelten Seitenarm der Tonkunst so ironiefrei und beherzt, dass es sich lohnt, die eigenen Befürchtungen und Vorurteile mal beiseite zu schieben, und genauer zu hören und nachzufragen, was es mit alledem auf sich hat...

Hallo Murgrind, es freut mich, dass Du einem Interview zugestimmt hast! Ich hoffe, es geht für Dich in Ordnung, wenn bei einigen meiner Fragen ein wenig Staunen mitschwingt, weil mich die Entdeckung von MURGRIND und überhaupt der "neuen" Dark Dungeon Szene überrascht hat – wirklich neu am Start bist Du ja nicht, oder?!

Musik mache ich seit ungefähr 1999, doch die erste Veröffentlichung kam im Juni 2013 mit Grimrik zusammen (Arath – Arath). Die Idee des MURGRIND Projekts ist schon recht alt, aber damals konnte ich sie noch nicht so umsetzen wie heute.

Aufmerksam geworden bin ich auf Dein neuestes Album "Inheritor Of The Forest Throne" eher zufällig und ich habe mich ihm ohne besonderen Erwartungen gewidmet. Umso überraschter war ich dann, als ich beim Hören eine ganze Menge im Grunde Altbekanntes und Wertgeschätztes entdeckt habe, also Anklänge an Die Verbannten Kinder Evas, Summoning, Arcana und natürlich den Gründer von Dark Dungeon Music. Greift es zu kurz, Deine Musik als Tribut an diese Künstler und eine bestimmte Ära zu bezeichnen?

Freut mich, dass dich das Album positiv überrascht hat. Ich würde sagen, dass Mortiis, Summoning, Die Verbannten Kinder Evas und Grimriks altes Dark Dungeon Projekt Nazgûl eine große Inspirationsquelle für meine eigene musikalische Laufbahn waren. Bedauerlicherweise gab es in diesem Musikgenre recht wenig, denn die meisten Musiker haben irgendwann nichts mehr veröffentlicht oder einen anderen Weg eingeschlagen. Meine Musik kannst du sicherlich auch als Tribut an diverse Künstler und diese Zeit bezeichnen.

Bei allen auf der Hand liegenden Ähnlichkeiten kann MURGRIND kaum vorgeworfen werden, bloß zu kopieren. Die Lieder auf "Inheritor..." sind mit hörbarer Liebe zum Detail arrangiert und weisen jeweils eigene Spannungsbögen auf, gleichwohl sich alles innerhalb gewisser Grenzen abspielt. Ich kann mir jedoch vorstellen, dass Fans der o.g. Künstler ziemlich begeistert sein dürften. Welche Reaktionen erhältst Du auf MURGRIND und welchen Stellenwert räumst Du selbst Tradition und Innovation ein?

Die Reaktion auf Murgrind ist größtenteils positiv. Es gibt Menschen, die keinen Zugang zu dieser Art Musik haben und sie dementsprechend langweilig finden, aber das ist okay. Ich finde auch nicht alles gut. Ich möchte schon, dass meine Musik eine gewisse alte Tradition ausstrahlt, aber auch etwas Neueres bietet, denn ich lebe musikalisch natürlich nicht nur in der Vergangenheit – und bei aller Respektzollung an die alten Helden erschaffe ich auch meine eigene, eine gegenwärtige Welt.

Mit welchen Ideen und Vorstellungen bist Du an "Inheritor..." herangegangen und ist es für Dich ein Konzeptalbum?

Nicht nur die einzelnen Alben sind Konzeptalben, Murgrind an sich ist ein Konzeptprojekt. Die Grundidee ist es, den Hörer durch meine mystische Welt zu schicken. Jedes Album knüpft geschichtstechnisch an das nächste an. Ich will, dass der Hörer den ganzen weltlichen Kram seines Alltags vergisst und in eine andere Welt eintaucht. Aktuell halte ich es so, dass der Hörer selbst durch meine Musik und die sie begleitenden Texte seine eigene Welt bilden kann, da ich keine großen Vorgaben mache oder sehr tief ins Detail gehe. Das kann sich aber alles ändern. Ich habe mich schon immer sehr stark von Fantasy à la Tolkien und aktuell auch von Game of Thrones angezogen gefühlt, sowie von nordischer und griechischer Mythologie.

Ich habe in den Neunzigern einige Interviews mit Mortiis geführt und seine musikalische Entwicklung eine Weile mit Interesse verfolgt, wobei mich bis heute keines seiner Alben stärker in einen Bann zu ziehen vermochte als "Ånden Som Gjorde Opprør". Mich faszinierte damals dieser phantastische bis größenwahnsinnige Ansatz, mittels einiger Keyboard-Lieder eine eigene Welt ins Leben rufen zu wollen und den Hörer dorthin zu entführen. Und ich muss gestehen, ich habe mich gerne daran erinnert, als ich den Klängen von "Far Winds Beyond The Mountains" lauschte. Wann bist Du selbst auf Dark Dungeon Klänge und Artverwandtes gestoßen und was hat Dich daran so fasziniert, dass Du selbst begonnen hast, diese Musik zu spielen?

Murgrind: Mit 13 kaufte ich mir anno 1996 die Demo-Kassette von Nazgûl "Ash nazg durbatulûk...". Die Musik gefiel mir so gut, dass ich nach mehr suchte. Ich lieh mir kurz darauf "Ånden Som Gjorde Opprør" und "Født til å herske" von Mortiis. Etwas später kam ich dann auch zum Black Metal. Mich faszinierte speziell bei Mortiis neben der Musik auch die Figur selbst: Seine Rüstung, die alten Fotos und generell der ganze mystische Stil.

Auf Facebook habe ich gesehen, dass Du u.a. einem auf Dungeon Synth spezialisierten Fanzine ein Interview gegeben hast und Du machst beständig auf andere Projekte aufmerksam. Wie stark fühlst Du Dich dem Dungeon Synth Genre verbunden und wie bewertest Du seine Entwicklung?

Es entwickelt sich meiner Meinung nach in kleinen Schritten in die richtige Richtung. Als ich mit Grimrik 2011 (wieder) in die Szene eintauchte, gefiel uns recht wenig. Die Zeiten ändern sich – so wie es schlechte Musik gibt, wird es auch wieder gute geben. Ich hätte nichts dagegen, dass diese Musik noch einmal ein glorreiches Zeitalter bekommt. Hier sind ein paar Veröffentlichungen, die mir sehr gut gefallen: Grimrik "Eisreich", Medhelan "The Ministrel´s Fireplace Tales", Splendorius "Norfaragell-Thul", Trogool "In The Mists Before The Beginning", Elador "By The pathways Of Forgotten Legends", Skarpseian "Tan Gil".

Beschäftigst Du Dich auch mit Werken von Tastenrittern wie Bo Hansson (r.i.p.) oder Klaus Schulze, die vielleicht so etwas wie Vorreiter des Dungeon Synth sind?

Nein, nicht wirklich. Die Sachen, die ich von Klaus Schulze gehört habe, fand ich allerdings gut. Das ist total Grimriks Ding, er ist der totale Freak, was die Geschichte der Synthesizer selbst und der Musik betrifft.

Gibt es Keyboards, die Deiner Einschätzung nach besonders gut für Dungeon Synth geeignet sind? Wenn ja, welche Aufnahmen kannst Du empfehlen?

Leider nein. Ich arbeite mit einer Software und einem einfachen Yamaha PSR E423, mit welchem ein Großteil des ersten Arath Albums komponiert wurde.

Du veröffentlichst MURGRIND auf Deinem eigenen Label Deivlforst Records, auf welchem u.a. auch das wunderbare Demo von Wolcensmen wiederveröffentlicht wurde und soeben ein ziemlich schönes Album von Grimrik erschienen ist. Zwar gibst Du an, quasi nur Musik der "alten Schule" veröffentlichen zu wollen, doch scheint eine gewisse Offenheit zu bestehen – wie verstehst Du Deivlforst und was sind Deine Ambitionen mit dem Label?

Das Label fokussiert sich im Prinzip (grob) auf musikalische Projekte aus der Welt des Black Metal. Dies bezieht auch – in unserem Fall sogar vor allem – auf Nebengenres des Black Metal, wie z.B. den reinen Dungeon Synth (heutige Bezeichnung) oder Dark Dungeon Music (alter Begriff), schließt aber auch mehr (space) ambient-artige Sachen wie Grimriks Alben oder Sviatibors "Discovery..." mit ein. In der glorreichen Zeit des Black Metal haben einige der Künstler auch damals schon abgefahrene elektronische Sachen gemacht, denke z.B. an Fenriz mit Neptune Towers. Entscheidend ist, ob der alte Spirit drinsteckt. Gute Musik der "alten Schule" nach unserem Verständnis macht sich nicht unbedingt z.B. an einem rotzigen Sound fest. Zur Old-School-Mentalität gehört auch z.B. die Herangehensweise an die Musik und auch der Grundsatz, nur zu veröffentlichen, wenn es wirklich auch auf Tonträger erscheint und nicht nur als Download, weil da eine ganz andere Arbeit und ein anderes Risiko dranhängt. Nichtsdestotrotz öffnet sich das Label tatsächlich ein wenig ins Experimentelle und es ist beispielsweise nicht ausgeschlossen, dass wir in Zukunft ein elektronisches Sub-Label haben werden. Jedenfalls werden wir immer darauf achten, dass bei uns keine beliebige Musik veröffentlicht wird. Das Gefühl, dass durch die Musik transportiert wird, muss stimmen, dazu gehört auch ein Gesamtkonzept, das passen muss.

Spielt sich MURGRIND für Dich vor allem in Deiner inneren Vorstellung ab, oder zieht es Dich von Leverkusen aus gelegentlich ins Bergische Land oder ins Siebengebirge, um Dich inspirieren zu lassen – oder an ganz andere Orte?

MURGRIND spielt sich zu 90% im Inneren ab. Ich fahre selten weg mit dem Ziel, mich inspirieren zu lassen.

Anfang 2016 steht eine Split mit Elffor an. Was können wir da erwarten? Wie ist es weiter um die Zukunft von MURGRIND bestellt?

Mein Part vom Splitalbum wird konzepttechnisch direkt an "Inheritor of the Forest Throne" anknüpfen. Es wird eine epische Fortsetzung, eine Überleitung zum nächsten großen Album, welches ich plane. Allerdings steht noch kein Erscheinungsdatum dafür fest. Bisher kann ich nur sagen, dass ich wirklich zufrieden bin mit der Entwicklung MURGRINDs und mir die Ideen nicht ausgehen. Ich sehe das Projekt als mein persönliches Lebenswerk. Elffors Part wird auch zum Großteil rein ambient sein

Danke, Murgrind, für Deine Zeit, und weiter viel Glück mit Deinen Projekten!

Ich danke Dir, Thor, und wünsche Dir auch viel Glück und alles Gute.

Thor Joakimsson (Info)
Alle Reviews dieser Band: